Im Jahr 1071 wurde die auf einem Hochplateau (650m NN) gelegene Ansiedlung „Lestini“ erstmalig urkundlich erwähnt. Es ist zu vermuten, dass die Besiedlung auf dem Gebirgskamm des jetzigen Thüringer Schiefergebirges mit Menschen aus der großen Völkerwanderung bis ca. 550 n.Chr. erfolgte. Diese brachten ihre Sprachen sowie Kenntnisse für die Urbarmachung der bis dahin unwirklichen Waldflächen aus ihrer Heimat mit. Vor allem Slawen sowie Franken aus dem Rheinland waren die ersten Siedler, von deren Existenz noch viele Flur – und Bachnamen zeugen. Die höchste Erhebung in der Gemarkung Lehesten ist der 792m über NN gelegene „Wetzstein“. 1071 gelangte Lehesten in den Besitz des Saalfelder Benediktinerklosters, nachdem dieses vorherige Reichsgut im Jahre 1013 von Kaiser Heinrich II. dem Pfalzgrafen Ehrenfried von Lothringen übergeben wurde. Dessen Tochter Richenza – Königin von Polen – schenkte wiederum 1056 das Besitztum Saalfeld dem Erzbischof Hermann I. von Köln.

Dieser kurze Ausflug in die 1000 Jährige politische Urgeschichte der Region um Lehesten spiegelt sehr gut die weitläufigen Gebietsansprüche sowie Gebietsverschiebungen der jeweils Herrschenden wieder.

Ausstreichende Schiefergesteinslager an der Erdoberfläche

Die Menschen in Lehesten lebten von Ackerbau, Viehzucht und Waldwirtschaft, die später mehr an Bedeutung gewann, da sich z.B. an den Bächen der Sormitz bzw. Loquitz Holzschneidemühlen und Metallhütten ansiedelten, die große Holzmengen verbrauchten. Bei den umfangreichen Rodungen, die sicherlich einige Generationen andauerten, stieß man auch immer wieder auf an die Erdoberfläche ausstreichende Schiefergesteinslager. Durch jahrtausend währende Witterungseinflüsse ließ sich dieser Stein relativ leicht aufteilen (spalten) und wurde frühzeitig mit anderen in den Fluren gefundenen Steinen zu stabilen Gründungen der Häuser verwendet.

Die zunehmende Verwendung der oberflächennahen Schieferlager durch dünneres Aufspalten der Platten zur wetterfesten Abdeckung von Dächern brachte den Bergbau auf Schiefer langsam in Schwung. Sicherlich flossen hier Kenntnisse und Erfahrungen aus den viel älteren Schieferbrüchen an Rhein und Mosel (Mönche, Neusiedler) in diesen Bereich ein.

Erste Markt- und Stadtrechte

Mit der weiteren Entwicklung der Dachschieferproduktion entstanden in Lehesten vielfältige und dauerhafte Handerkerberufe (Schmiede, Wagner, Zimmerleute) und auch die Händler konnten davon profitieren. 

Am 12. Mai 1651 bekamen nach Antragstellung des selbstbewußten Gemeinderates die Lehestener Bürger die mit 20 Statuten versehenen Markt – und Stadtrechte durch den Landesherrn Herzog Friedrich Wilhelm (Altenburg) überreicht. Mit Erlangung der begehrten und bedeutsamen Marktrechte war ein weiterer Meilenstein zur positiven Entwicklung der nunmehr „Stadt Lehesten“ (ca. 600 Einwohner) gesetzt.

In den immer noch schwer zu beschaffenden Dokumenten zur mittelalterlichen Geschichte der Stadt Lehesten sind einzelne Zeitabschnitte schlecht oder gar nicht nachzuvollziehen. Deshalb sei auf die Festschrift zu „350 Jahre Stadtrecht“ verwiesen, in der zumindest die neuere Geschichte der Stadt bis 2001 nachzulesen ist.

Vom Wetzsteinturm zum Altvaterturm

Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten die Menschen aus Deutschlands Industriegebieten die herrliche Naturlandschaft um Lehesten und wurden als „Sommerfrischler“ gern willkommen geheißen. Das „Grüne Herz“ Deutschland wurde geboren und mit dem Bahnanschluß (1885) Lehestens an die Magistralen Ludwigsstadt – Nürnberg gehörten die Urlauber zunehmend zum bunten Bild des Städtchens. Das Hotel „Weber“ und viele andere Gaststätten und Pensionen lebten nun vom sich entwickelnden Fremdenverkehr. 1902 errichtet der Thüringer Waldverein auf dem Wetzstein einen Aussichtsturm der im Volksmund nur als der „Wetzsteinturm“ bezeichnet wurde. Dort wurden alljährlich große Feste für Urlauber und Einwohner ausgerichtet. Aus diesem Aufschwung heraus kreierte man werbewirksam und unpolitisch die „Berg – und Schieferstadt Lehesten“, die zudem ein anerkannter „Luftkurort“ war. 

Leider fühlte sich nach dem Krieg niemand mehr verantwortlich zur Erhaltung des Turmes und er verfiel zusehends bis er 1979 abgerissen wurde. An seiner statt entstanden militärische Bauten und funktechnische Einheiten der NVA zur Luftraumüberwachung der DDR/BRD. Heute steht am fast identischen Standort der 2004 feierlich eingeweihte 36m hohe „Altvaterturm“ des Altvaterturmvereins Langgöns. Er ist ein monumentales Mahnmal gegen jegliche Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat, die ihre Schicksale in den Innenräumen des Turmes dokumentieren. Von der Aussichtsplattform kann man bei klarem Wetter die herrliche Landschaft des Thüringer – und Frankenwaldes genießen. 

Tradition „Bergmannsfest“

Der Stadt Lehesten gehören die Ortschaften Schmiedebach, Röttersdorf und Brennersgrün mit derzeit insgesamt ca. 1800 Einwohnern an. Anfang der 90iger Jahre entschieden sich die Lehestener für den Landkreis Saalfeld/Rudolstadt nachdem sie in der DDR dem Kreis Lobenstein angehörten. In diesen Jahren war Lehesten „Grenzsperrgebiet“ und ein Besuch von außerhalb nur mit Passierschein des VPKA (Volkspolizeikreisamt) möglich. Die Beibehaltung bzw. den Ausbau des Tourismus war damit völlig ausgeschlossen und alles früher Geschaffene verrottete, verwilderte oder wurde abgerissen.

Die Menschen gewöhnten sich an diesen Zustand und ließen es sich trotz mancher Probleme gut gehen. Höhepunkte waren das jährliche Bergmannsfest, die Faschingsveranstaltungen und die Spiele der Fußballmannschaften.

Nach der Vereinigung beider deutscher Staaten 1990 leisteten viele Menschen eine wahre Pionierarbeit. So wurde die Landschaft um die Berg- und Schieferstadt Lehesten für Wanderer, Urlauber und Touristen wieder zugänglich. Die Nähe des Rennsteiges wirkte sich dabei auch sehr positiv aus.

Wirtschaftlich allerdings, konnten sich viele Betriebe/Einrichtungen gegen die starke Konkurrenz aus den alten Bundesländern nicht durchsetzen und mussten schließen. Es war ein Glück an der ehemaligen innerdeutschen Grenze gewohnt zu haben, denn im benachbarten Franken fanden viele Menschen wieder Arbeit.

Vom Sanften Tourismus als Wirtschaftsfaktor

In der Folge widmeten sich die Stadträte der Berg- und Schieferstadt Lehesten verstärkt um den Aufbau des „sanften Tourismus“, als einen möglichen Wirtschaftsfaktor. Ein gut ausgebautes Wanderwegenetz, Skiwanderwege, Reitwege und Radwege wurden angelegt. Eine Investorengruppe modernisierte ab 1999/2000 mit erheblichen Mitteln den ehemaligen Betriebsteil Lehesten in den Vereinigten Thüringer Schiefergruben Unterloquitz GmbH & Co. KG, der seine Schieferproduktion im März 1999 aufgab. Ziel war es, aus diesem historischen Komplex einen Lern – und Erlebnispark mit Gaststätte, Hotellerie und Ferienwohnungen zu entwickeln. Der Staatsbruch bekam den neuen Namen „Thüringer Schieferpark Lehesten“, der bis heute Bestand hat. Leider kam es vor der endgültigen Fertigstellung des Projektes zu Insolvenzen aller beteiligten Firmengruppen. So konnte das umfängliche Parkmodell nicht mehr realisiert werden.

Heute können Urlauber, Wanderer oder Touristen die Gaststätte nutzen und auch niveauvolle Übernachtungen im Hotel bzw. Ferienwohnungen wahrnehmen. Als eine interessante Besonderheit befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft Funktionsgebäude des damaligen Schieferbetriebes mit den Förderanlagen. Auf Wunsch sind hier auch Führungen durch ehemalige Bergleute möglich.

Die größte gewonnene Schiefertafel der Welt

Das Stadtbild der Berg- und Schieferstadt Lehesten ist geprägt von den teils kunstvollen Schiefereindeckungen an Dächern sowie Fassaden der Häuser. Der Schiefer hat über Jahrhunderte ihre Häuser vor dem rauen Mittelgebirgswetter zuverlässig geschützt. Er gab den Menschen Arbeit und verhalf der Stadt zu Wohlstand.

In der Lehestener Kirche befindet sich mit den Abmaßen von 308cm x 253cm und 4cm Stärke die 1870 größte damals gewonnene Schiefertafel der Welt. 

Im Volksmund bezeichnet man deshalb den Schiefer auch liebevoll als das „Blaue Gold“. Seit 1910 befindet sich eine Dachdeckerschule in Lehesten und sie war die erste Dachdeckermeisterschule Deutschlands. Nachdem zwischenzeitlich eine Grenzkompanie der DDR die Gebäude nutzten, kam es nach 1990 zur Wiederaufnahme der Ausbildungstätigkeit im komplett renovierten Haupthaus bzw. in neu errichteten Hallenkomplexen. Heute ist es ein weithin bekanntes und anerkanntes Innovationszentrum für das Dachdeckerhandwerk.

Wenn sie sich entscheiden in unserer Heimat zu wandern oder Urlaub zu machen, dann werden ihnen viele beeindruckende Merkmale dieser thüringischen Region begegnen. Gewaltige Abraumhalden, abgesoffene Tagebaurestlöcher und die Verwendung von Schieferplatten in allen Variationen bilden eine einzigartige Industriekulturlandschaft. Wer sich mehr dafür interessiert, kann auf einem „Schieferpfad“ und auf „Geopfadrouten“ Natur und Bergbau besser kennenlernen. 

Zwar hat der Schieferbergbau die gewachsene Natur und Landschaft nachhaltig verändert. Daraus entstanden jedoch neue Naturräume, die heute als hochwertige Naturschutzgebiete ausgewiesen werden! Lassen sie sich überraschen.

Glückauf!